Blaues Skizzenbuch Blatt 8

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Richscribble

Richscribble blaues Skizzenbuch
Blatt 8 vom blauen Skizzenbuch, Aquarell auf Papier, DIN A4, zart gehaltenes Richscribble, Zülpich 2009

Ich benutze verschiedene Skizzenbücher und eigentlich sollten es Jahrbücher werden, vielleicht sogar inhaltsmäßig einheitlich, hier Zeichnungen, im anderen Aquarelle, aber das hat nie funktioniert. Projektbezogenheit ist eher ein erkennbares Kriterium, aber auch das nicht chronologisch durchgehend. Ein altes Skizzenbuch fängt 1992 an, macht jahrelang Pause, dann wurden Ausstellungskonzepte vermerkt, organisatorisches, Bauplanskizzen und dazwischen Zeichnungen und Aquarelle und es sind immer noch einige Seiten frei für 2024. Ich nehme mir meine Skizzenbücher wie sie gerade greifbar sind.

In dem sogenannten „blauen Skizzenbuch“, das ich mir wohl 2008 für die Konzeption des Livingroom 4 besorgt hatte, fand ich eine ganze Menge blassgehaltener Richscribbles, die auf Interpretationen warten.

Richscribbles sind reichhaltige, oft übermalte Skizzen, aus denen ich „spannende“ Bereiche heraushole. Es kommt vor, dass ich so eine Leinwand, oder den Papierbogen zerschneide, oder davon ein Foto, oder eine Scan erstelle und dann auf digitale Art und Weise mit dem Bearbeiten fortfahre.

Das hier vorgestellte Blatt 8 ist so zart gehalten, um im Nachgang der Trocknung einen zweiten Wash, der durch Charakterisierung dunklerer Flächen, die die hellen zarten Bereiche kontrastieren sollen, vorzunehmen. Ich entschied mich jedoch selten für eine einzige Interpretation und hob mir diese schöne und überraschende Arbeit auf, bis ich wieder über einen eigenen guten Scanner verfügte.

Das hat ein paar Jahre gedauert, weil ich einfach keine Zeit mit Scannern verbringen wollte. Eigentlich suchte ich immer wieder nach Fachbetrieben, die das professionell übernehmen könnten. Als ich endlich den richtigen gefunden hatte, wechselte kurz darauf der Besitzer, ohne dass ich das mitbekommen hätte und dann kam mal wieder richtiger Mist nach Hause mit saftiger Rechnung. Es handelte sich um einen von zwei in Deutschland ansässigen Scanfirmen, die über den mit Abstand besten Scanner verfügten, den es am Markt überhaupt gibt, die eine Firma in Süddeutschland, die andere in Köln. Ich spreche hier vom Hasselblad Flextight X5, sehr wartungsintensiv und das nur von Spezialisten, deshalb würde sich dieser 20000 € teure Superscanner auch niemals für einen Künstler und wohl auch nicht für eine Künstlergruppe rechnen. Jedenfalls nach dem mir unbekannt gebliebenen Besitzerwechsel orderte ich Scans mit Flextight, aber es kamen schäbige, nicht mal zuvor gereinigte und auch noch mit übermäßig Kontrast und Schärfen bearbeitete Mülltonnenergebnisse zurück. Trotzdem bezahlte ich und war froh, als ich meine Originale wieder sicher bei mir hatte. Für ca 180 €, oder waren es 280 €? kaufte ich dann einen im Internet und gebe mich mit der ganz ordentlichen Leistung zufrieden, die 3 Klassen besser ist, als das,was ich so teuer bezahlt hatte. Was Fotoarbeiten angeht, Dias und Negative, kann mein Flachbettscanner mit eingebautem Durchlichter dem Hasselblad Flextight X5 nicht das Wasser reichen, wenn ich von 6×6 Mittelformat auf über 1m x 1m vergrößern möchte. Bei Skizzenblättern in DIN A4 ist der Unterschied nicht ganz so groß, mit anderen Worten, mein Canon 9000 macht da eine ziemlich gute Arbeit, die ich dank meiner Ausbildung mit professionellen Programmen an das Original vervollkommnen kann.

Blatt 801 Bearbeitetes Richscribble aus blauem Skizzenbuch, Zülpich 2023

Wie reich so ein Richscribble ist, erkennt man schon, wenn man nur einige Bereiche mehr kontrastiert, die Farbsättigung anpasst, oder Linien und Texturen verstärkt, oder abmildert. In dem Beispiel Blatt 801 entsteht daraufhin eine ganz neue Ordnung, einige Bereiche treten in den Vordergrund, andere in den Hintergrund. Diese von mir geliebten feinen Schwemmlinien, die normalerweise von gelernten Aquarellisten gemieden werden, bringen eine feine Zeichnung in das Papier.

Dank der enormen Auflösung des Scans kann ich so tief in das Bild eintauchen, dass ich sogar die Papierfasern sehen kann. Hier mit verschiedenen Zooms auf die Suche zu gehen, ist ein besonderer kreativer Akt.

Leider habe ich es bisher nicht geschafft diesen Effekt der Trocknungslinien mit pastöseren Farben im Großformat zu entwickeln. Ich müsste es nachzeichnen, aber, wie Sie mich ja bereits kennen, würde ich so etwas langweiliges niemals machen. Wasser verhält sich immer gleich, das heißt, die Linien würden nicht dicker werden, wenn Sie einen großen Bogen, Besen statt Pinsel und ganz viel Aquarellfarbe nehmen, werden die feinen scharfen Trocknungslinien keinen Millimeter breiter werden.

Ausschnitt eines Richscribbles
Zentrumbesetzung, digital bearbeiteter Ausschnitt von Blatt 8 des blauen Skizzenbuchs, Zülpich 2023

In diesem Ausschnitt haben mich drei mit Trocknungslinien umfassten Farbflächen berührt, die alle zu einem Mittelpunkt drängen. Es erinnert mich an ein wichtiges Schach-Strategem, nämlich die rasche Besetzung des Zentrums, eine überlebenswichtige Lehre für Schachspieler, aber durchaus auch übertragbar auf andere Bereiche, z.B. Ökonomie, oder Management. Die Luminanz finde ich hervorragend, die Chrominanz, das Farbzusammenspiel ist leise, dennoch kraftvoll und lebendig auf Grund seiner vielfältigen Abstufungen.

Ausschnitt von Blatt 8 des blauen Skizzenbuchs
alleine::allone, digital bearbeiteter Ausschnitt von Blatt 8 des blauen Skizzenbuchs, Zülpich 2023

Ein noch tieferer Blick lässt mich dieses Krümelchen, dieser kleine verlorene Punkt in der filzartigen Textur des Hintergrundes, finden. Ganz einfach und doch ganz reich. Es ist eben nicht einfach nur ein Punkt auf einem weißen Blatt. Der Punkt ist eigentlich eine senffarbene, leuchtende Oberfläche, die scheinbar einen Schatten auf den fellähnlichen, behaarten Untergrund wirft, in lauten Großraumbüros vielleicht genau das richtige Statement an die Kollegen. In so einem Setting empfehle ich 1m x 1m mit Passepartout und einem etwas rötlichen dünnen Holzrahmen, vielleicht Kirschbaum.





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